MILA zu Besuch im BioWeingut Söllner! Letztlich entscheiden wir uns pragmatisch fürs Auto, um hinaus zum BioWeingut Söllner zu gelangen. Zum einen, weil Gösing am Wagram abseits, im Schlagschatten von Öffi-Erreichbarkeit liegt, zum anderen ist es kommod, den großen Kofferraum für reichlich MILA-Wein-Nachschub zu nutzen.


Von MILA-Mitglied Karin Kuna.

Provinz ist, wo ich bin.

MILA-Specials fürs Verkostung-Après sind eingepackt, als wir, die Neigungsgruppe Sortiment, erwartungsvoll vergnügt in diesen Freitag-Nachmittag starten. Der Spätsommer reibt noch einmal so richtig auf, Stadt-Flüchtlinge hecheln über schwarzen Asphalt ins Grüne, rechter Hand zeichnet der Wagram am Ende der Tullner Blattl-Ebene eine langgezogene Horizontlinie. Obendrauf dominieren stattliche Kirchen, unten gehören die Lagerhaus-Geschlechtertürme zum normalen Landleben…

Weingut.

Die Autotüren fliegen auf, die Wein-Interessierten stieben ins Freie und stürzen hinein in den Hof, wo Winzerin Daniela Vigne alle Hände voll zu tun hat mit unangemeldeten Privatkund*innen. Wir schauen uns gleich einmal in der einladenden Türeinfahrt um, finden dort Infotafeln zu biodynamischen Grundlagen. In den folgenden zwei Stunden teilt Hausherr Toni Söllner praktisches Erfahrungswissen mit uns, hurtig folgen wir ihm in den alten Weinkeller (u.a. auch Vinothek). Ein kleiner Teil der Vinifizierung erfolgt hier im Holzfass, der Ausbau im Edelstahl-Tank bzw. in Steingut-Behältern ist auf weitere Gebäude verteilt.

Zur ganzheitlichen Betriebsphilosophie der engagierten BioLandwirte zählen auch Ressourcen-schonende Instandsetzung (Wiederverwendung von Baumaterial) und achtsame Restaurierung (z.B. des Zukaufs von Gebäuden in der Nachbarschaft, Stichwort Greisslerei/Gästehaus) sowie die Verwendung zeitgemäßer Umwelttechnik (Energieversorgung u.a. mittels Photovoltaik-Anlagen, Maschinen und Geräte werden mit Pflanzenöl aus Eigenanbau betrieben). Seit einem Vierteljahrhundert bewirtschaftet die Familie Söllner nach biologischen, respektive biodynamischen Richtlinien knapp 50 Hektar (Zwei Drittel Anbaufläche dient der Landwirtschaft, 19ha sind für den Weinbau reserviert ), aktuell in vierter Generation. Auf die schüchterne Frage der Besucherin, ob wir denn verkosten dürfen, meint Toni Söllner mit schelmischem Grinsen: „Das müssts euch erst verdienen!“ Und ab geht’s zur Source, sprich zur Erkundung von Terroir (spezifische Lage & deren typischer Bodenaufbau).

Weingarten.

Nach kurzem Auffe-oben-Ume auf schmalem Feldweg, dem obligaten „Waaaahhhhs für eine Aussicht!“ von Gösing-Erstlingen, lauschen wir auch schon aufmerksam in der Ried Hengstberg (Grüner Veltliner), was es mit den schwarzen Netzen auf sich hat (vornehmlich Hagelschutz), warum Stroh ausgebracht wurde (Verdunstungsschutz) und wofür Gründüngung mit „hoher Mahd“, also dem Gegenteil von englischem Rasen, eigentlich gut ist (Bodenschutz, Humus-Aufbau u.a.). Wir staunen über das umfassende Wissen von Toni Söllner zu Theorie und Praxis generell, ganz speziell jedoch im Umgang mit der zunehmenden Wasserknappheit durch die Klimazerstörung. Sympathisch-humorvoll teilt er bereitwillig Trial-and-Error-Anekdoten, etwa über Feldversuche im buchstäblichen (Auspflanzung von Piwi-, sprich Pilzwiderständigen Rebzüchtungen) und im übertragenen Sinne. Besonders interessant finde ich, dass der Grüne Veltliner hier auf einem Gemisch aus Meeresboden mit Schotter wächst (während jener in der benachbarten Ried Welfel auf Muschelkalk und Meeressand steht).

Apropos „ganz besonders“ – wir fahren noch zum Eisenhut, einer, euphemistisch formuliert, herausfordernden Lage, die quasi auf der Rückseite von Gösing, abseits in Richtung Weinviertelhinauf liegt. Weniger beharrliche Winzerhände hätten wohl schon längst das Handtuch geworfen, aber die bäuerliche Meinungsstabilität von Daniela & Toni Söllner, gepaart mit viel Arbeitseinsatz, trägt auch hier Früchte im besten Sinne des Wortes: Auf kargen Terrassen (roter Schotter, Stichwort Eisen), in luftiger und sonnengeküsster Höhe wächst auf dem Eisenhut die Ursorte „Roter Veltliner“ als spezieller Weißwein in Premium-Qualität. Die Wagram-typische Sorte wird seit kurzem als „Slow Food Presidio“ gefeiert.

Wein gut.

Ein stimmhaftes „hmmmh“ beschreibt den Grundton bei der (redlich verdienten!) anschließenden Verkostung, die wir mit einem kräftigen Schluck vom flaschenvergorenen „Pétillant de la vigne“ beginnen. Gemeint ist „Perlendes aus den Weingärten von den Reben“, namentlich eine fruchtig-beschwingte Cuvée aus Roter Veltliner, Riesling, Pinot Noir und Muskateller. Demnächst im MILA-Weinregal. Während wir Donauveltliner (Piwi-Sorte) und den Variantenreichtum des klassischen Grünen Veltliners kosten dürfen, erfahren wir noch Zahlen und Fakten zum Weingut: 90Prozent Weißwein-Anbau, ein Fünftel davon ist Roter Veltliner. Mittlerweile werden etwa 70Prozent der Fläche maschinell gelesen, mehr als die Hälfte der Ernte wird vor allem nach Japan, USA, Schweden, UK exportiert. Allgemeines „hmmmh“-Anschwellen beim Eisenhut-Roten Veltliner und Welfel-Grünen Veltliner im Glas, geteilte Meinungen beim „Irden“, einer kräftigen Natur-Cuvée für Erwachsene aus der Steinzeug-Flasche.

Verlässlichen Rotwein-Trinkgenuss bietet der „Oibelos“ auch bei dieser Verkostung, für Liebe auf den ersten Schluck sorgt der „Pinot Noir, 2020“. Der Winzer teilt meine Begeisterung für „mehr Blauburgunder“ nur bedingt, ergänzt lakonisch: „Es gibt gute, es gibt schlechte; und von manchen bekomme ich nur Kopfweh.“ Sagts und schmeißt uns kurzerhand raus, weil er mit der Gattin noch zum Essen ausgeht. Wir hängen noch ein Picknick mit sensationeller Aussicht auf Schneeberg, Ötscher und Stift Göttweig dran. Wir schmatzen hungrig Käse und Brot, ich (Heimfahrt-Chauffeurin) schlürfe Wasser und die anderen Oibelos dazu…

https://www.weingut-soellner.at/de

Daniela Vigne – Specials:

https://www.weingut-soellner.at/de/destillate-fruchtansaetze

https://www.weingut-soellner.at/de/greisslerei-goesing

Karin Kuna, September 2023

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