Wir wollen von anderen ähnlichen Projekten lernen und treffen immer wieder andere innovative Supermärkte oder Läden zum Austausch. Beatrice Stude von MILA berichtet!

Text: Beatrice Stude

Hoffentlich treff ich auch Evi, dachte ich noch, doch nach kurzer Recherche, musste ich schmunzeln: Evi steht für Erzeuger Verbraucher Initiativen zur Unterstützung benachteiligter Regionen – das Kürzel für den Verein mit dem Evi 1979 gegründet wurde. Evis Naturkost steht im Mittelpunkt unseres Austausches, doch allesamt vertreten die Beteiligten interessante Konzepte und Erfahrungen, die für MILAs Aufbau Erfahrungswissen, Synergien und künftige Kooperationspartner*innen bereit halten.

„Hier würde ich gern einkaufen!“, dachte ich sofort als ich Evis Naturkost betrat: Es riecht gut, ist hell, aufgeräumt – die hohen Räume einladend und luftig. Wir treffen Fred, statt Evi. Fred Schwendinger war 18 Jahre Geschäftsführer bei Evis Naturkost – die letzten 6 Jahre mit Gehalt. Denn die Naturkost-Geschäfte wurden bis 2004 von einem Verein getragen. Im Brotjob war Fred Bauer und hatte 20 Milchkühe. Seit 2021 ist Fred in Pension, nun ist er aktiv als Vorstand in der Regionalwert AG Niederösterreich und Wien, deren Hauptanliegen ist es, die Lieferketten von regionalen Produkten transparent zu machen. Seine Landwirtschaft hat Fred Schwendinger seit 2020 verpachtet – mit der Auflage diese als Biobetrieb zu führen.

Die ersten 20 Jahre schrieb »Evis Naturkost« rote Zahlen. Heute ist »Evis Naturkost – Bio in Krems« eine GmbH, finanziell stabil und hat 20 bezahlte Mitarbeiter*innen – es sind 14 Vollzeitäquivalente. Sie hatten im Aufbau einen langen Atem. Unerlässlich fürs Gelingen. Rückblickend sagt Fred Schwendinger heute, hätten sich zwei Drittel ihrer Fehler vermeiden lassen. Die 20 Jahre Aufbau könnten auf 7 Jahre reduziert werden – dass ist die positive Nachricht, die er uns mitgibt.

Milchkandl & Brauerei

Neben Fred treffen wir Andreas Egger, Mitbegründer des Milchkandls und der Erste Nöhagener Braugenossenschaft. Denn am Stammtisch wird vieles besprochen, und wenn dazu das Nöhagen Bräu aus der Region getrunken wird, diskutiert es sich gleich anders. Andreas ist auch Vorstand bei Rückenwind, dem Revions- und Förderverband gemeinwohlorientierter Genossenschaften. Rückenwind hat uns hier zusammengeführt: Karl Staudinger, Verbandsjurist bei Rückenwind hat für das Cluster Lebensmittel, also bestehende Genossenschaften und Genossenschaften in Gründung eine Videokonferenz initiiert – dort entstand die Idee für diesen Austausch in Krems.

Kaufmannsladen, Koop.wien und MILA Mitmach Supermarkt

Das »Wir« komplettieren drei Leute, die für diesen Austausch aus Wien angereist sind: Maria Kaufmann, Martin Gerstl und Beatrice Stude. Der großartige Austausch beginnt bereits bei der Anreise. Maria hatte einen Kaufmannsladen am Johann-Nepomuk-Vogl Markt, im Kreuzgassenviertel in Währing. Es war ein Familienbetrieb – verbunden mit sehr viel Pionierarbeit am Standort, doch für eine Existenzgrundlage nicht ausreichend. Ihre Schwester und sie haben den Betrieb aus Selbstschutz 2020 aufgeben müssen. Maria möchte weiter im Lebensmitteleinzelhandel engagiert tätig sein und ist daher zu Koop.wien gekommen. Koop.wien ist eine Initiative, in der Martin Gerstl sehr engagiert ist. Mit Koop.wien möchten sie das Hansalim-Konzept aus Südkorea nach Wien, also nach Österreich bringen. Hansalim ist seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Genossenschaft aus Produzierenden und Konsumierenden, die zusammen die Preise für die Produkte ausverhandeln und heute einen Marktanteil von fünf Prozent in Südkorea haben – das sind über 200 Läden, über 1,5 Millionen Haushalte und über 2.000 Produzierende. Früher war Martin Shopper Marketing Berater großer Supermarktketten, heute möchte er mit seinem Wissen zukunftsfähige Konzepte mitaufbauen und engagiert sich auch im Ernährungsrat Wien. Beatrice Stude, selbständige Stadtplanerin und Aktivistin, ist für MILA Mitmach Supermarkt beim Austausch mit dabei, der Initiative einen genossenschaftlichen Supermarkt in Wien aufzubauen.

Kaum Lager aber Käse- und Fleischtheke

Im Gespräch fokussieren wir auf Evis Naturkost. Hier werden heute auf 600 Quadratmetern 1,8 Millionen Euro Netto-Umsatz gemacht. Davon sind rund 300 Quadratmeter Verkaufsfläche, den Großteil der anderen 300 Quadratmeter nimmt das Restaurant ein. Lagerflächen gibt es kaum – außer das Kühllager. Die Ware steht zum großen Teil im Regal. „Es muss alles so organisiert sein, dass die Produkte gleich ins Regal kommen – alles andere ist zu kompliziert und zu teuer!“ ist Fred Schwendinger überzeugt. Für Fleisch- und Milchprodukte gibt es eine Theke mit Bedienpersonal.

Evis Naturkost zahlt 8.000 Euro Miete brutto, ca. 7.000 Euro Miete netto. Ideal wäre es die Monatsmiete an einem Verkaufstag einzubringen. Evis Naturkost ist von Montag bis Samstag geöffnet: Der Tagesumsatz liegt zwischen 5.000 bis 6.000 Euro, 6-mal die Woche.

Für 23 Euro wird im Schnitt eingekauft

Der Durchschnittsbon, der Menschen, die hier einkaufen, beträgt rund 23 Euro. Dessen Höhe hat sich auch mit Eröffnen des Restaurants nicht groß verändert, da die Leute nach dem Mittagessen noch ein, zwei Dinge einkaufen. Das Restaurant verkocht das Gemüse, dass nicht verkauft wurde. Am Speiseplan für die nächste Woche steht immer nur die Hauptspeise, so kann flexibel das vorhandene Gemüse für die Tagessuppen verarbeitet werden. Natürlich ist das mehr Aufwand, aber es ist nachhaltig.

Ausnahmslos bio

Bei Evis Naturkost ist alles bio-zertifiziert. Das Sortiment besteht zum großen Teil aus regionalen Produkten. Für Bio Austria interessiert sich kaum eine*r der einkaufenden Menschen, Demeter wird hingegen immer interessanter. Das langfristige Ziel sind Produkte aus regenerativer Landwirtschaft.

Die Mitarbeiter*innen sind die Werbung und die Geschichten

Wir sitzen im Restaurant, zum bestellten Kaffee bekamen wir gleich einen Mohnkuchen angepriesen – auf sehr angenehme Art, so dass wir fast nicht widerstehen konnten. Evis Naturkost hat nie Geld für Marketing ausgegeben – stattdessen wurde in das Wissen der Mitarbeiter*innen investiert. Doch die Welt dreht sich weiter. Heute ist es sinnvoll auch Ressourcen für Storytelling und das Bespielen der Sozialen Netze vorzusehen, resümiert Fred Schwendinger. Er bringt das Beispiel von Joseph Brot und Mauracher Brot. Beide führen exzellente Produkte. Fünfzig Prozent des Brotumsatzes fällt bei Evis jedoch auf Joseph Brot, weil sie ihre Geschichte sehr gut erzählen – das mögen die Menschen.

Wissen wo Geld und Zeit anfällt

Ein genereller Tipp für alle wirtschaftlichen Vorhaben hat Fred noch parat: „Ein*e Unternehmer*in werkelt am Unternehmen, weniger im Unternehmen!“ Soll heißen, es braucht Menschen, die das Weiterentwickeln im Fokus haben – das darf nicht im Alltagsgeschäft untergehen. Das unterscheidet Unternehmer*innen von Selbständigen. Beim Aufbau ist es auch gut Coaching von außen zu haben, sich international Beispiele genau anzuschauen und genau zu wissen wo viel Arbeit anfällt und wo Geld verloren geht. Es braucht mehr als eine Person, die Dinge vorantreiben. Ideal sind drei Leute, das ist beständig auch wenn einmal eine Person wechselt.

5.000 Artikel, davon kommen 40 Prozent direkt ins Geschäft

Seit 1983 gibt es zwei Evis Naturkost-Geschäfte. Sie tragen denselben Namen, sind aber wirtschaftlich eigenständig. Ihre Warenlogistik machen beide mit Bio-Office, die Software gibt es seit 2000 und sie ist auch bei Großhändler*innen bekannt. Evis Naturkost hat 70 regionale Zuliefer*innen, die teils über den Großhandel Bersta gebündelt werden. Rund 40 Prozent der Produkte kommen direkt ins Geschäft, die anderen 60 Prozent über den Großhandel. Evis Naturkost hat fast 5.000 Artikel im Sortiment. Die Preisaufschläge variieren nach Warengruppe, sind aber seit Jahren relativ stabil.

Abschließend haben wir alle noch kräftig eingekauft. Das Anstehen an der Käsetheke fühlt sich ungewohnt an. Die Preise haben eher Bio-Laden-Niveau, die Produkte sind ein Genuss 😉

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