Im beschaulichen München Obergiesing eröffnete Anfang Juli 2021 der FoodHub München seine Pforten, der erste partizipative Supermarkt Deutschlands. Eine kleine MILA-Delegation war Ende September vor Ort um sich ein Bild über den laufenden Betrieb zu machen und für unseren eigenen Supermarkt Anregungen und Ideen mitzunehmen.

Autor:innen: Van Dien, David Jelinek & Beatrice Stude

Wir kommen an einem Donnerstag im Herbst zu Mittag an. Gleich beim Eingang nach den Schiebetüren steht eine breite Holztheke: Wir werden freundlich mit einem Lächeln und „Ihr seid die aus Wien, oder?!“, empfangen.

Im Geschäft selbst ist gerade wenig los, es fühlt sich alles noch sehr neu und ein wenig steril an. Frisch gestrichene Wände in orange, fesche Regale, volle Obst- und Gemüse-Kisten.

Wir treffen Kristin Mansmann und Quentin Orain, beide Gründer:innen und beide sind Vorstandsmitglieder: Quentin ist zusätzlich für Teile des Sortiments verantwortlich. Kristins Aufgaben sind die Buchhaltung, sowie weitere operative Tätigkeiten. Nach einem ersten kurzen Kennenlernen bekommen wir eine kleine Tour durchs Geschäft.

Vermieterin unterstützt

Der FoodHub hat für München eine extrem günstige Miete: Sie zahlen acht Euro netto für den Quadratmeter – die Vermieterin ist ihnen sehr wohlgesonnen.

Der FoodHub ist in eine aufgelassenen Plus Filiale eingezogen – sie haben diese allerdings von Grund auf sanieren und neu ausstatten müssen. Von der GLS Bank gab es hierfür einen Kredit über eine halbe Million Euro, zusätzlich kommen laufend Genossenschaftsanteile herein und auch einiges über Darlehen der Mitglieder.

Mit circa 200 Meter zur U-Bahn-Station Untersbergstraße ist der FoodHub ideal an die Öffis angebunden. Obergiesing hat gut 9.400 Einwohner:innen auf den Quadratkilometer und ist der 17. Stadtbezirk der bayerischen Landeshauptstadt. Er grenzt im Norden an den 5. Bezirk Au-Haidhausen an, der direkt an die Münchner Innenstadt angrenzt.

Das Grätzl ist nicht extrem frequentiert, aber in guter Frequenzlage – es ist schon gut belebt mit den vielen Geschäften. Das Ambiente direkt vor dem FoodHub war angenehm ohne viel Autoverkehr, obwohl dieser mit dem Auto gut erreichbar ist.

Wachsen ist die oberste Priorität

Im FoodHub gibt es derzeit keine verpflichtenden Infogespräche bevor Mitglieder aufgenommen werden. Sie wollen die Hürde so niedrig wie möglich halten, um schnell wachsen zu können. Jedes neue Mitglied kann einfach vorbeikommen – auch ohne Termin – und sofort eine Schicht übernehmen. Für die Arbeit, die zu tun ist, gibt es Listen, die orientieren helfen. Man hilft sich gegenseitig. Die mangelnden Infos führen teilweise zu Missverständnissen, aber dadurch entstehen kaum Probleme.

Schnelles Wachstum hat Priorität im FoodHub! Wir lernen hier, dass viele Wege zum Ziel führen können.

„Es rennt!“

so einfach hört sich das aus Quentins Mund an.

Der FoodHub macht circa 70.000 Euro Umsatz im Monat, bei knapp 1.000 Mitgliedern – Stand Ende September 2021. Ziel ist es, den Umsatz um 10.000 bis 15.000 Euro im Monat zu erhöhen. Derzeit werden viele Mitglied, kaufen aber noch nicht ein.

Produkte & Sortimentaufbau

Das Sortiment des FoodHub München besteht zu 100 Prozent aus Bioware! Die Produktpalette ist solide, von der Windel bis Frischfleisch gibt es eine große Auswahl.

Sie haben viel Handelsware, aber weitaus weniger Produkte von Direktlieferant:innen als erwartet. Das Sortiment wird laufend erweitert und adaptiert, da sie erst mit Erreichen der Mindesthaltbarkeit der Ware sehen, was gut und was weniger gut geht.

Dazu haben sie die passende Strategie gewählt: Mit rollierendem Angebot, also neuen Produkten, wollen sie herausfinden, was die Mitglieder wollen. Im FoodHub gibt es ein »Wunschbuch« in dem sich die Mitglieder einzelne Artikel oder Marken wünschen können.

Sehr schöne Holzregale präsentieren das Wein und Bier-Sortiment. Das Bier – wir sind ja hier in München – wird als „kulturell relevantes Produkt“ in Szene gesetzt.

Qualität & Preis

Der FoodHub hat ein tolles Käseangebot! Sie beziehen viel über Jürgen Würth, einem renommierten Großhandel für Bio und Feinkost. Der Käse wird im Ganzen, also en gros gekauft und von den Mitgliedern im FoodHub aufgeschnitten – es gibt einen eigens eingerichteten Verarbeitungsraum dafür. Hierfür gibt es eigene Schichten, wo der Käse geschnitten und in Haushaltsmengen abgepackt wird. Der Käse ist dadurch 20 bis 25 Prozent günstiger. Quentin ist für den Käseeinkauf verantwortlich und zeigt uns mit etwas Stolz die niedrigen Preise für einige französische Käsespezialitäten.

Die große offene Gemüseabteilung wirkt sehr einladend. Das Gemüse und Obst-Sortiment ist derzeit allerdings noch herausfordernd. Denn zur Zeit hat vieles was sie über den Handel beziehen keine zufriedenstellende Qualität. Hier sind sie erst noch im Aufbau und dabei gute Lieferant:innen zu finden.

Beim Fleisch arbeiten sie bereits mit einem lokalen Produzenten zusammen: Hier erhalten sie ein ganzes Schwein, bereits zerlegt und vakuumiert.

Das Vorstandsteam

Das rasche Umsetzen ist ihnen wichtiger als makellose Abläufe: Die Gründer:innen und Vorstandsmitglieder Kristin Mansmann, Quentin Orain und Karl Schweisfurth sind sehr eingespannt. Kristin kommt aus der Gründerbranche und bringt diesen „Drive“ mit. Karl kommt selbst aus der Lebensmittelbranche und ist sehr gut vernetzt. So ist die spürbare Start-up Mentalität nicht verwunderlich.

„Wir garantieren das Wahren von wirtschaftlichen Interessen!“

ist die Haltung des Vorstandsteams.

Als Vorstandsteam haben die drei viel Entscheidungskraft und damit haben sie den Aufbau zügig vorangetrieben – die Community muss da erst noch „hinterherkommen“. Dennoch verbinden sie die beiden wichtigen Elemente und stellen sie in den Mittelpunkt: das Erhalten der Dynamik und das Aufrechterhalten des Interesses der Mitglieder.

Schichten und Software

Der FoodHub arbeitet mit der Warenwirtschafts-Software »Bio Office«, das ist eine verbreitete Software, aber keine Open Source Lösung.

Alle Mitglieder arbeiten alle vier Wochen für drei Stunden mit. Die Schichten können sie selbst im Schichtverwaltungssystem einteilen, haben dort immer einen Überblick und können auch leicht tauschen.

In der Frühschicht arbeiten sieben Mitglieder, ebenso in der Abendschicht und tagsüber sind es fünf Mitglieder. Für eine verpasste Schicht, müssen die Mitglied zwei Schichten machen. Wenn sie Schichten tauschen, haben sie vier Wochen Zeit die Schichten nachzuholen.

Die Software, mit der der FoodHub die Schichten verwaltet, haben sie von Coop IT easy gekauft – einer Brüsseler Software Genossenschaft, die auch mit BEES Coop Supermarket in Brüssel zusammen arbeitet. Ihre ersten Erfahrungen hiermit scheinen durchwegs positiv zu sein, auch wenn Quentin erzählt, dass sie gelernt haben mit einigen „bugs“ zu leben, da die Supportstunden sehr teuer sind.

Keine Sozial- und Rentenversicherung

Die mitarbeitenden Mitglieder sind weder Angestellte, noch freie Dienstnehmer:innen, und daher fällt für sie keine Renten- und Sozialversicherung an – ein Bescheid von SuperCoop in Berlin hat das geklärt, und auf diesen beruft sich der FoodHub in München.

Entspannte Atmosphäre

Dynamisch und entspannt schließen sich hier nicht aus. Die Menschen nehmen sich bei der Hand, es ist stressfrei. Und, der kooperative Gedanke, sich gegenseitig zu unterstützen, ist stark zugegen.

Allgemein ist der FoodHub hell, freundlich, gemütlich – nicht zuletzt durch den netten persönlichen Empfang. Alles ist geräumig und nichts zu vollgeräumt mit Ware. Dennoch vermittelt der Aufbau des FoodHub den Eindruck eines Bioladens.

Aufbau des FoodHub

Der FoodHub hat knapp 350 Quadratmeter Verkaufsfläche und etwas weniger Lagerfläche, die sich im Keller befindet. Zusätzlich haben sie im Verkaufsraum einen Abpackraum eingerichtet: Hier wird der Käse aufgeschnitten und für den Verkauf foliert, wie auch Nüsse und Trockenwaren für den Unverpackt-Bereich vorbereitet. Letzteres spart Plastik und ermöglicht einen günstigeren Preis.

Gleich beim Eingang ist eine Empfangstheke mit einer großen Kreidetafel. Hier haben immer zwei Mitglieder Schicht. Die Tafel gibt Auskunft über die Ware, die bald abläuft, auch Brot von vorgestern wird verkauft. Nach dem Motto: „Vermeide Abfall!“ wird informiert – ohne Rabatte auf die Ware zu geben.

Der Schalter erinnert ein wenig an einen Flugschalter oder den Empfang im Hotel – gibt aber sofort Orientierung: Hier zeigen die Mitglieder ihre Mitgliedskarte. Hier kann sich jede:r erste Infos einholen. Und, hier kann jede:r Interessierte eine Tour durch den FoodHub bekommen.
Auch kann jede:r hier sofort Mitglied werden. Dazu braucht es keinen Termin, dafür ist der Schalter mit zwei Personen besetzt. Somit kann das Formelle einfach und mit wenig Hürde erledigt werden.

Knapp vor der Kassa verführen Süßigkeiten und Knabbereien.

Community, Nachbarschaft & Medien

Im FoodHub gibt es regelmäßig Community Events, um auch die Menschen aus der Nachbarschaft in den FoodHub zu holen.

„Wir machen keine Werbung, aber binden die Nachbarschaft mit ein – zudem stärkt der Austausch unter den Mitgliedern die Menschen!“

erzählt uns Kristin.

Die Mitglieder im FoodHub haben sehr unterschiedliche sozioökonomische Hintergründe. Die Vielfalt unter den Mitgliedern ist ihnen sehr wichtig. Dafür gibt es auch den Sozialtarif, der sich nach dem Haushaltseinkommen richtet: Statt fünf Genossenschaftsanteile, ist nur einer à 36 Euro zu erwerben, um vollwertiges Mitglied zu sein.

„Wir wollen, dass alle im FoodHub einkaufen können. Wir verstehen uns als Gemeinschaft, die alle trägt.“

So begründet der FoodHub seinen Sozialtarif.

Medienarbeit ist ihnen extrem wichtig. Sie wollen sichtbar sein, durch Social Media Kampagnen und mediale Berichterstattung – die sie gut auswählen. So investieren sie in Medien mit tatsächlicher Reichweite, statt in Bezirksblätter.

Resümeé

„Sie haben einen Mitmach Supermarkt als Start Up entwickelt – so wie es zu München passt. Ein kleines Kernteam hat in enormer Geschwindigkeit den Supermarkt aufgebaut. Dieser ist schick und bietet das übliche Bioladen-Sortiment zu besseren Preisen. Die Community bauen sie jetzt mit der Eröffnung des Marktes erst richtig auf.“

Es ist vielleicht in einigen Punkten ein etwas anderer Supermarkt als wir ihn uns für MILA vorstellen, aber vom Grunde her das gleiche Konzept in die Tat umgesetzt – und dafür gebührt dem FoodHub aller Respekt.

Sie haben es geschafft! Und bereits mehr als tausend Menschen für die Idee ihres partizipativen, genossenschaftlichen Supermarktes gewonnen – und es werden täglich mehr. Ein weiteres Beispiel dafür, dass wir mit unserer Idee auf dem richtigen Weg sind und auch in Wien viele Menschen für unsere Vision eines zukunftsweisenden Mitmach Supermarktes begeistern werden.

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